E-Learning im Wandel der Zeit

20. Dezember 2023 - Minuten Lesezeit

Spätestens seit der Corona-Pandemie ist E-Learning wohl jedem als „Mittel der Not“ begegnet und seitdem aus der Bildungswelt nicht mehr wegzudenken. E-Learning, zu Deutsch computergestütztes Lernen oder Fernlernen, leitet sich vom englischen 'Electronic Learning' ab und bezeichnet alle Formen des Lernens, bei denen elektronische oder digitale Medien zur Unterstützung von Lernprozessen eingesetzt werden. Diese Definition zeigt allerdings auch die Unzulänglichkeit der deutschen Übersetzungen, denn E-Learning ist weder immer an einen Computer gebunden, noch ist eine räumliche Distanz zum Lehrenden oder zu den Mitlernenden eine zwingende Voraussetzung.

Bis heute ist es nicht gelungen, sich auf eine allgemeingültige Definition von E-Learning zu einigen, daher wird die Beschreibung von E-Learning an Bereichen festgemacht, die für ihre Nutzung und ihren Einsatz von zentraler Bedeutung sind. Dieser Konsens bezieht sich auf die folgenden Merkmale:

Es stellt sich die Frage, ob E-Learning die Präsenzlehre mit dem Anspruch gleichwertiger Ergebnisse vollständig ersetzen kann. Der Artikel beleuchtet verschiedene Ansätze zur Beantwortung dieser Frage, zeigt den historischen Hintergrund auf und wirft nach Abwägung ihrer Chancen und Grenzen die Frage auf, wie digital das Lernen der Zukunft gestaltet sein wird und kann.

Die Anfänge des E-Learnings

Auch wenn erst die letzten 20 bis 30 Jahre für die Etablierung von E-Learning bahnbrechend waren, wurden die Weichen schon viel früher gestellt. Bereits 1728 wurde das Konzept des Fernunterrichts von Caleb Philips entwickelt. Der Stenografie-Lehrer verschickte seine Lektionen innerhalb Bostons per Post - was sich damals aufgrund der nicht ausgebauten Postwege nicht durchsetzen konnte. In den 1850er Jahren wurden die ersten Fernstudiengänge an der University of London angeboten, und es entwickelte sich ein Verständnis für die Idee, dass die Präsenz der Lernenden nicht zwingend an einen Ort gebunden ist.

Folglich wurden im nächsten Jahrhundert Kurse über Telefon etabliert, die Lehrmaschine GLIDER entwickelt und die technische Weiterentwicklung machte auch vor Hörsälen und Klassenzimmern nicht Halt, sodass in den 1960er Jahren erstmals Computer sowie computerbasierte Lernprogramme an den Hochschulen eingeführt wurden. 1994 wurde die CompuHigh als erste Online-Schule in den USA eröffnet und stand sowohl amerikanischen als auch internationalen Schülern offen. Nur zwanzig Jahre später liegt der Anteil der amerikanischen Colleges und Universitäten, die E-Learning anbieten, bereits bei 98%!

Elearning_Universitaet

Hier wird die Schnelllebigkeit der digitalen Welt besonders deutlich - denn die Intervalle neuer Innovationen werden immer kürzer - Veränderung und Verbesserung gehen im Wettlauf gegen die Zeit Hand in Hand. Im Jahr 2020 nutzen mehr als 90 % der Unternehmen und Betriebe in den USA die Möglichkeit des E-Learning für die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter. Die Zahlen für 2023 liegen noch nicht vor, aber es ist seit langem bekannt, dass vor allem die Corona-Pandemie die Verbreitung und Nutzung von E-Learning noch einmal um ein Vielfaches gesteigert hat.

Die Geschichte des E-Learning ist nachhaltig von technischen Entwicklungen geprägt und Fernunterricht, wie wir ihn heute kennen, wäre ohne die rasante Kombination aus technischer und digitaler (Weiter-) Entwicklung nicht möglich gewesen. Ihr Weg war geprägt von Rückschlägen und Misserfolgen - aber der Ehrgeiz der Menschen, das Lernen zu revolutionieren, blieb ungebrochen. Das Ergebnis dieser Vision ist der heutige Stand des E-Learning, den wir als selbstverständlich wahrnehmen. Ist es demnach die Lösung all der Probleme, die der Präsenz Unterricht bislang ungelöst hinterließ?

Die gängigsten Formen des E-Learning

Über die Jahre hinweg haben sich einige Formen des E-Learning etabliert- andere sind gescheitert. Im Folgenden werden die fünf gängigsten Formen benannt und ihre individuellen Vorteile herausgearbeitet.

Bezeichnung

Beschreibung

Benefits

MOOC´s

„Massive Open Online Course“ meist in Hochschulbildung verwendete Onlinekurse, die durch Verzicht von Zulassungsbeschränkungen meist hohe Teilnehmerzahl aufweisen.

  • Breitgefächerte Themenangebote
  • akademische Vorbereitung für die Universität
  • Angebot verschiedener Sprachen

Virtuelle Klassenzimmer

Gemeint sind Plattformen wie Zoom oder Teams. Bündelung mehrerer Werkzeuge wie Audio-Konferenz, Text-Chat, Screensharing

  • Ortsfaktor unabhängig
  • auch in Quarantäne möglich

Webinare

Die Wortneuschöpfung ist eine Fusion aus „Seminar“ und „World Wide Web“.

Es ist somit ein Online-Seminar

  • Ortsfaktor unabhängig
  • Teilnehmerzahl irrelevant
  • jeder hat die Chance auf gleichwertigen Input

Flipped Classroom

Zu Deutsch „umgedrehter Unterricht“

Lernmethode, bei der die Wissensaneignung selbstständig zuhause erarbeitet wird, die praktische Anwendung hingegen (bspw. Hausaufgaben) gemeinsam während der Unterrichtszeit

  • Selbstständigkeit wird gefördert
  • Lernende erlangen Gefühl der Eigenverantwortung
  • mehr Raum für nachträgliche Fragen/ Unklarheiten

Blended Learning

Zu Deutsch „vermischtes Lernen“

Der Einsatz neuer Medien wird mit Präsenzunterricht kombiniert, wodurch die Lernenden auf versch. Lernmethoden zurückgreifen können.

  • „das Beste aus beiden Welten“
  • Lernende können auf ihr Mittel der Wahl zurückgreifen

Meilensteine und Grenzen des E-learning

Zweifellos hat die feste Verankerung des E-Learning in unserem Schul-, Hochschul- und Arbeitsalltag neue Dimensionen des ortsunabhängigen Lernens eröffnet. Aber sind die Möglichkeiten des E-Learning grenzenlos oder setzen wir und unser heutiger Wissenstand durchaus Grenzen?

Was macht das E-Learning so attraktiv?

Der wohl wichtigste Vorteil ist die Flexibilität, die sich aus der Unabhängigkeit von Ort und Zeit ergibt. Die Lernenden können nach Belieben auf die Aufzeichnungen von E-Learning-Kursen zugreifen und diese individuell in ihren Arbeitsalltag integrieren. E-Learning bietet somit ein Höchstmaß an Flexibilität. Darüber hinaus entfallen in der Regel Kosten, da im Gegensatz zu Präsenzschulungen die Teilnehmerzahl bei Online-Schulungen (prinzipiell) unbegrenzt ist, was eine Kostenminimierung und die Einsparung von An- und Abreisekosten ermöglicht. Hinzu kommt der Vorteil einer standardisierten Qualität, d.h. durch identische Schulungen können Qualitätsschwankungen des Lehrinhalts nahezu ausgeschlossen werden. Allen Lernenden stehen E-Learning-Angebote von einheitlicher Qualität zur Verfügung. Die heutigen Standards im E-Learning sind so weit fortgeschritten, dass auch vermeintliche Schwachstellen wie mangelnde Interaktivität behoben sind. Durch interaktive Module wie Videos oder animierte Inhalte wird den Lernenden eine motivierende Lernatmosphäre geboten und auch Sprachbarrieren gehören durch benutzerfreundliche Software der Vergangenheit an. Die Verkettung und das Zusammenspiel dieser Vorteile schaffen eine motivierende und stets herausfordernde Lernatmosphäre.

Wo liegen die Schwachstellen des E-Learning?

Wo gesägt wird, fallen Späne. Nicht anders verhält es sich bei der praktischen Umsetzung des E-Learning, denn auch, wenn unser Fortschritt immer besser und die Zeitintervalle immer kürzer werden- oft ist genau diese Schnelllebigkeit unsere Schwäche. Zum einen fehlt es oft an Sicherheit und Grundverständnis im Umgang mit Computern und neuen Medien im Allgemeinen, was gerade für ältere Menschen oft eine Herausforderung darstellt. Hinzu kommt, dass E-Learning wenig Raum für Rückfragen lässt und häufig unbeantwortete Fragen und damit Irritationen hinterlässt. Eng damit verbunden ist der Aspekt der Selbstdisziplin, da die orts- und zeitunabhängige Bearbeitung zu einem hohen Maß an Eigenverantwortung führt. Nicht selten kommt es zu der Situation, dass sich Irritationen und Verständnisprobleme wie ein roter Faden durch das E-Learning ziehen und zu einem Nachlassen der Selbstdisziplin führen. Hier kommt verstärkt der Faktor der ermüdenden Bildschirmarbeit ins Spiel, der in Kombination und Wechselwirkung mit Verständnisproblemen und mangelnder Selbstdisziplin einen Einblick in die Schattenseiten des E-Learning erlaubt.

Vereint "Blended Learning" das Beste aus beiden Welten?

Blended_Learning

Wie bereits erläutert, beschreibt Blended Learning eine didaktische, bildungsbezogene Verknüpfung von Präsenzaktivitäten mit E-Learning-Formaten. Dabei wird sowohl auf traditionelle Lehrmethoden und -mittel wie Präsenzveranstaltungen als auch auf den Einsatz neuer Medien und Lehrformen wie z.B. Online-Schulungen oder Webinare zurückgegriffen. Die Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile von E-Learning macht deutlich, dass der Einsatz neuer Medien einerseits ein Höchstmaß an Flexibilität und Selbstverantwortung ermöglicht, andererseits aber auch die Umstellung auf ein neues Medium und ggf. das erneute Erlernen eines neuen Mediums bedeutet und aufgrund der fehlenden sozialen Interaktion nicht selten zu einem Rückgang der Lernmotivation und -leistung der Lernenden führt.

Blended Learning garantiert auf der einen Seite, mit den Veränderungen der Zeit zu gehen und Lernenden größtmögliche Flexibilität durch individuelle Nutzung neuer Medien bereitzustellen. Zugleich besteht der Raum für Rückfragen und das persönliche Miteinander.

Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie des mmb Instituts in der 15. Ausgabe der Trendstudie „mmb Learning Delphi“ 2020/21, die sich mit der jährlichen Befragung von E-Learning-Experten zum digitalen Lernen beschäftigt. Die abgebildete Statistik zeigt die Bedeutung verschiedener Anwendungen als Lernform mit der zentralen Frage, ob die Befragten diesen Lernformen in den nächsten drei Jahren eine eher geringe oder eine zentrale Bedeutung im Bildungswesen zuschreiben. Das Ergebnis ist eindeutig- 100% aller Befragten schreiben dem Blended Learning eine zentrale Bedeutung als Lernform der Zukunft zu.

Die Vorteile scheinen grenzenlos. Dennoch lohnt es sich, die scheinbare „Lösung für alles“, das Blended Learning kritisch zu hinterfragen. Die Aufteilung in Präsenz- und E-Learning kann zu einer Entfremdung vom klassischen Lernen führen - der ständige Wechsel der Lernmethoden kann die Lernenden potenziell eher überfordern, als dass er sie unterstützt.

Die Tatsache, dass die neuen Medien revolutionäre Möglichkeiten der Kommunikation und Wissensvermittlung bieten, bedeutet nicht, dass sie auch besser sind. E-Learning sollte unterstützend und ergänzend wirken, die Vorteile des sozialen Miteinanders und die Aufrechterhaltung der individuellen Betreuung als solche aber der Präsenzlehre vorbehalten bleiben. Dort, wo die Präsenzlehre an ihre Grenzen stößt, setzt E-Learning mit dem Anspruch an, bewährte Wissensvermittlung über das bisherige Niveau hinaus anzubieten.

Fazit

Kann das E-Learning also die Präsenzlehre mit dem Anspruch gleichwertiger Ergebnisse ersetzen? Die einfache Antwort lautet- nein, kann sie nicht.

Die rasante Entwicklung neuer Technologien der letzten Jahrzehnte machen das E-Learning zu einer geschätzten und etablierten Lernmethode, sie eröffnet Möglichkeiten des internationalen, gemeinschaftlichen Lernens- unabhängig von Ort und Zeit. Einstige Schwachstellen des herkömmlichen Präsenzlernens wie Flexibilität und Schwankungen der Lehrqualität scheinen damit der Vergangenheit anzugehören. Dem Entgehen stehen Unsicherheiten im Umgang mit technischen Neuheiten, der fehlende Individualbezug sowie die Gefahr des schnellen Motivationsverlustes der Lernenden. Neuartige Lehrformen wie das Blended Learning scheinen der Schlüssel zum Erfolg zu sein, hierbei lassen sich das Beste aus den Welten der Präsenz- und Onlinelehre vereinen. Eine Kombination beider Ansätze mit Nutzung jeweiliger Stärken hat das Potenzial, bestmöglichen Lernerfolg zu erzielen. Es ist jedoch Vorsicht hinsichtlich der Informationsfülle geboten.

E-Learning sollte ergänzend und unterstützend zum Präsenzunterricht eingesetzt werden, von unten heraus an jenen Stellen Unterstützung bieten, an denen die Präsenzlehre an ihre Grenzen stößt. Diese Grenzen beziehen sich unter anderem auf die Sinneskanäle des Menschen, die während des Online-Unterrichts nur eingeschränkt arbeiten können und somit Mimik und Gestik nur beschränkt wahrnehmen können. Das Hauptaugenmerk sollte also auch in Zeiten digitalen und technischen Fortschritts auf dem Präsenzunterricht und damit die Aufrechterhaltung der Wahrung der Individualität der Lernenden liegen.

Lucie Hilger

Lucie Hilger
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