Hinweisgeberschutzgesetz: Rolle des Betriebsrats und Betriebsvereinbarungen

04. Dezember 2023 - Minuten Lesezeit

Was ist das Hinweisgeberschutzgesetz?

Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) ist die deutsche Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie. Es trat im Juli 2023 in Kraft und zielt darauf ab, Personen zu schützen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Kenntnis von Verstößen erlangen und diese melden. Der Schutzbereich umfasst Verstöße gegen Strafvorschriften, bestimmte Ordnungswidrigkeiten, sowie Verstöße gegen Bundes-, Länder- und EU-Rechtsvorschriften.

Unternehmen ab einer bestimmten Größe sind verpflichtet, interne Meldekanäle einzurichten, die mündliche, textliche und persönliche Meldungen ermöglichen. Dabei müssen die Vertraulichkeit der Hinweisgeber sowie die Unabhängigkeit und Fachkunde der Meldestellen-Beauftragten gewährleistet sein. Unternehmen müssen eingehende Meldungen dokumentieren, entsprechende Folgemaßnahmen ergreifen und diese den Hinweisgebern innerhalb festgelegter Fristen mitteilen.

Zentrale Elemente des Gesetzes sind das Verbot von Repressalien gegen Hinweisgeber, eine Beweislastumkehr zugunsten der geschützten Person bei Repressalien, sowie Ansprüche auf Schadensersatz. Hinweisgeber können sich auch an externe Meldestellen wenden, haben jedoch die Wahl zwischen internen und externen Wegen. Ebenso müssen Unternehmen über die Meldeverfahren informieren und Datenschutzrichtlinien einhalten. Einen umfassenden Überblick zum Hinweisgeberschutzgesetz und dessen Auswirkungen auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit mehr als 50 Mitarbeitern haben wir für Sie in unserem Leitfaden zusammengestellt.

Wie werden Hinweisgeber und Arbeitgeber geschützt?

Das Hinweisgeberschutzgesetz bietet nicht nur Schutz für Whistleblower, sondern kann auch indirekt Arbeitgebern zugutekommen. Einerseits ermöglicht es Unternehmen, Missstände wie unrechtmäßige Kundendatenweitergabe oder andere strafrechtliche Verstöße intern zu adressieren, bevor sie öffentlich werden. Dies kann schwerwiegende Folgen für das Unternehmen verhindern. Überdies ermutigt das Gesetz durch die Einrichtung von internen und externen Meldestellen sowohl Mitarbeiter als auch andere Personen im Umfeld des Unternehmens, auf Compliance-Verstöße hinzuweisen. Dies erlaubt Unternehmen, solche Verstöße frühzeitig aufzudecken und diskret zu behandeln, bevor sie an die Öffentlichkeit gelangen. Um von diesen Vorteilen zu profitieren, sollten Unternehmen eine offene Kultur fördern, die das Melden von Missständen ermutigt und Whistleblower unterstützt.

Hinweisgeber und damit vornehmlich Arbeitnehmer werden nach dem HinSchG wie folgt geschützt:

Rechtliche Unbelangbarkeit bei Informationsbeschaffung (§ 35 Abs. 1 HinSchG)

Hinweisgeber sind rechtlich geschützt, wenn sie Informationen beschaffen, die einen Verstoß belegen. Ausgenommen sind Fälle, in denen die Informationsbeschaffung selbst strafbar ist.

Schutz vor Repressalien (§ 6 HinSchG)

Das Gesetz verbietet jegliche Benachteiligungen, die als Reaktion auf eine Meldung erfolgen und der hinweisgebenden Person einen ungerechtfertigten Nachteil zufügen könnten.

Beweislastumkehr bei Benachteiligungen (§ 36 Abs. 2 HinSchG)

 Im Falle einer Benachteiligung in beruflicher Hinsicht wird vermutet, dass diese aufgrund einer Meldung erfolgt ist. Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass dies nicht der Fall ist.

Schadensersatzansprüche bei Verstößen gegen das Repressalienverbot (§ 37 Abs. 1 HinSchG)

Hinweisgeber haben Anspruch auf Schadensersatz bei Verstößen gegen das Verbot von Repressalien.

Bußgeldregelungen bei Repressalien (§ 40 HinSchG)

Repressalien gegen Hinweisgeber können als Ordnungswidrigkeiten mit Bußgeldern bis zu 50.000 € geahndet werden.

Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers (§ 8 HinSchG)

Die Identität der hinweisgebenden Person sowie der Personen, die Gegenstand einer Meldung sind, muss vertraulich behandelt werden. Ausnahmen von diesem Vertraulichkeitsgebot sind gesetzlich geregelt.

Abseits vom Hinweisgeberschutzgesetz steht Arbeitnehmern in Fällen einer rechtswidrigen Benachteiligung, also bspw. einer Versetzung infolge eines abgegebenen Hinweises, ein Beschwerderecht beim Arbeitgeber oder, sofern vorhanden, beim Betriebsrat zu (§ 84,85 BetrVG).

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Rolle des Betriebsrats beim Hinweisgeberschutzgesetz

Hinweisgeberschutzgesetz_Betriebsrat_Versammlung

Das Hinweisgeberschutzgesetz macht zur Rolle des Betriebsrats bei der Einführung und dem Betrieb einer Meldestelle keine Angaben. Eventuelle Mitbestimmungsrechte müssen sich also aus dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ergeben. Danach hat der Arbeitgeber den Betriebsrat gem. § 80 Abs. 2 über die Einführung einer Meldestelle rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Bei der Frage, ob eine Meldestelle eingerichtet werden soll oder nicht, hat der Betriebsrat kein Mitspracherecht. Die Einrichtung einer internen Meldestelle ist gesetzlich geregelt, Arbeitgeber, die in den Anwendungsbereich fallen, sind also dazu verpflichtet.

Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Einrichtung und Ausgestaltung der Meldestelle ist umstritten. Zwar schließt § 87 Abs. 1 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht aus, wenn der Arbeitgeber zur Umsetzung einer Maßnahme gesetzlich verpflichtet ist, gleichwohl bietet die konkrete Ausgestaltung des Hinweisgeberschutzgesetzes gewisse Handlungsspielräume, etwa was die Meldekanäle (elektronisch oder nicht) oder die Form der Meldungen (mündlich, schriftlich oder beides?) angeht. Auch die Einrichtung von anonymen Meldekanälen bleibt dem Arbeitgeber überlassen.

Wir stellen die zwei Standpunkte hier einmal gegenüber.

Argumente gegen ein Mitbestimmungsrecht (nach Zimmer/Millfahrt, BB 2023, 1269-1273)

Zimmer und Millfahrt argumentieren, dass die Einrichtung einer internen Meldestelle, wie sie das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) vorsieht, nicht automatisch eine Verpflichtung zur Nutzung dieser Meldestelle durch die Arbeitnehmer schafft. Daher bleibt die Entscheidung, diese Meldestellen zu nutzen, freiwillig. Solange der Arbeitgeber die Nutzung nicht verpflichtend macht, bestehe auch keine Mitbestimmungspflicht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Die Autoren betonen, dass solch eine interne Meldestelle keinen Einfluss auf die Arbeitsordnung habe und die genaue Ausgestaltung dieser Meldestellen damit nicht unbedingt der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt.


Weiterhin wird erläutert, dass parallele Regelungen im Finanzaufsichtsrecht ebenfalls kein Mitbestimmungsrecht vorsehen, es sei denn, es besteht eine Verpflichtung zur Nutzung der Meldestellen. Im HinSchG sind jedoch keine solchen Pflichten für die Arbeitnehmer festgelegt. Daher folgern Zimmer und Millfahrt, dass die Einführung eines Meldesystems nach dem HinSchG normalerweise das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht beeinflusst. Sie verweisen auch auf frühere Gerichtsentscheidungen, die den Anwendungsbereich des Mitbestimmungsrechts in ähnlichen Fällen klar abgesteckt haben (BAG, 21.7.2009 – 1 ABR 42/08 und BAG, 22.7.2008 – 1 ABR 40/07).


Bei der Einführung eines digitalen Hinweisgeberschutzsystems habe der Betriebsrat laut § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ebenfalls keine Mitbestimmungsrechte. Diese Systeme dienen lediglich als Mittel zur Übermittlung selbst gesammelter Informationen durch den Hinweisgeber. Da die Systeme keine eigenständige Datenerhebung vornehmen und den Inhalt der Informationen nicht verändern, werde kein Mitbestimmungsrecht ausgelöst. Auch die Speicherung von Daten im Rahmen eines Meldeverfahrens gelte nicht als eigenständige Überwachung und falle daher nicht unter das Mitbestimmungsrecht. Es wird darauf hingewiesen, dass existierende Whistleblowing-Hotlines, als Beispiel für interne Meldestellen, keine Kontrollwirkung haben, es sei denn, die Gespräche werden aufgezeichnet, was eine bewusste Entscheidung des Arbeitgebers ist. Demnach könne ein Meldesystem nach dem HinSchG in der Regel ohne Mitbestimmung eingeführt werden.

Argumente für ein Mitbestimmungsrecht (nach Lugowski, Computer und Arbeit 8-9 2023, S. 24-26)

Der Artikel besagt, dass der Betriebsrat laut einiger Meinungen ein Mitbestimmungsrecht bei der Gestaltung von Hinweisgebersystemen habe, da dies unter die Regelungen von § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG falle, die sich auf Ordnung und Verhalten im Betrieb beziehen. Diese Meinung geht davon aus, dass die Regeln, die Arbeitgeber bei der Einrichtung von Meldestellen und -kanälen aufstellen, das Zusammenleben und -wirken der Arbeitnehmer beeinflussen und somit allgemein gültige Verhaltensregeln darstellen. Hierzu gehören Entscheidungen über die Art der Meldekanäle, die Form der Meldungen, deren Vertraulichkeit und Dokumentation. Da Arbeitgeber in diesen Bereichen Handlungsspielraum haben, wird argumentiert, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG gilt. Dies gilt unabhängig davon, ob das Meldesystem intern oder von Dritten betrieben wird.


Ferner bestehe ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bei der Einrichtung von elektronischen Meldekanälen. Diese Einschätzung basiert auf der Annahme, dass solche Systeme zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle genutzt werden können. Die Argumentation, dass keine Überwachung vorliegt, weil die Daten von der hinweisgebenden Person erhoben werden, wird abgelehnt. Für ein Mitbestimmungsrecht sei es ausreichend, dass Leistungs- oder Verhaltensdaten manuell eingegeben werden. Die manuelle Eingabe von Leistungs- oder Verhaltensdaten in das System und deren Weiterverarbeitung würden eine eigenständige Kontrollwirkung erzeugen und somit ein Mitbestimmungsrecht begründen. Insbesondere bei erweiterten Analysefunktionen des zugrundeliegenden Hinweisgeberschutzsystems würde der Anwendungsbereich von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG eröffnet werden.

Obwohl die Rechtslage in diesem Punkt (noch) nicht eindeutig ist und die Rechtsprechung künftig für Klarheit sorgen muss, lohnt es sich, trotzdem über eine (freiwillige) Beteiligung des Betriebsrats bei der Einführung einer Meldestelle nachzudenken. Unabhängig davon, dass die Rechtsprechung eine Mitbestimmungspflicht des Betriebsrats bejahen könnte, würde die Bereitschaft der Belegschaft erhöht werden, die internen Meldestellen zu nutzen. Der Betriebsrat könnte u.a. Einfluss darauf nehmen, ob eine digitale Meldestelle eingerichtet werden soll, ob mündliche Meldungen ermöglicht werden sollen und ob anonyme Meldekanäle eingerichtet werden sollen. Der Betriebsrat vertritt in diesen Punkten die Interessen der Arbeitnehmer, womit Anreize geschaffen werden, die internen Meldestellen den externen vorzuziehen. Abseits davon kann die Beteiligung des Betriebsrats der Erstellung einer für die Einrichtung einer internen Meldestelle benötigten Datenschutzfolgeabschätzung (DSFA) zugutekommen. Eine abgeschlossene Betriebsvereinbarung könnte hier als Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung herangezogen werden.

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Zustimmungspflicht bei der Ernennung einer internen Ombudsperson

Mit dem Hinweisgeberschutzgesetz kommt die Anforderung, die Meldestelle mit ein oder mehreren Personen zu besetzen, die bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten unabhängig sind und über die notwendige Fachkunde verfügen. Diese Personen (oft Ombudspersonen oder Hinweisbearbeiter genannt) dürfen neben dieser Tätigkeit auch andere Aufgaben übernehmen, sofern es hierbei nicht zu Interessenkonflikten kommt (§ 15 HinSchG). In der zugrundeliegenden EU-Richtlinie wird der Datenschutzbeauftragte für die Besetzung der internen Meldestelle vorgeschlagen.

Die Meldestelle kann grundsätzlich mit eigenen Mitarbeitern oder mit externen Dienstleistern besetzt werden. Bei der Besetzung mit eigenen Mitarbeitern ist vorab die Zustimmung des Betriebsrats gem. § 99 BetrVG einzuholen. Auch für die für die Ausübung der Tätigkeiten notwendige Weiterbildung ist der Betriebsrat einzubeziehen (§ 96 BetrVG).

Betriebsvereinbarung Hinweisgeberschutzsystem

Wird der Betriebsrat bei der Einrichtung der internen Meldestelle einbezogen, sollte eine Betriebsvereinbarung folgende Punkte abdecken (nach Lugowski, Computer und Arbeit 8-9 2023, S. 24-26):

Begriffsbestimmungen und Gegenstände einer Meldung: Definitionen und Abgrenzungen der relevanten Begriffe sowie die Arten von Verstößen, die gemeldet werden können.

Betrieb der Meldestelle: Festlegung, ob die Meldestelle intern oder extern (durch Dritte) betrieben wird.

Personelle Ausstattung der Meldestelle: Bestimmungen zur personellen Besetzung, Qualifikation und Unabhängigkeit der Mitarbeiter der Meldestelle.

Konkretisierung der Meldekanäle: Ausgestaltung der Kanäle, durch die Meldungen abgegeben werden können, einschließlich der Möglichkeit anonymer Meldungen.

Verhaltenspflichten bei der Meldung: Regeln zum Umgang mit der Meldestelle und zur Abgabe von Meldungen.

Prozessbeschreibung für die Meldungsabgabe: Detaillierte Beschreibung der Abläufe und Fristen im Meldeprozess.

Schutz von meldenden und betroffenen Beschäftigten: Bestimmungen zum Schutz der Hinweisgeber und der Personen, die Gegenstand einer Meldung sind.

Konkretisierung der Vertraulichkeit: Maßnahmen zum Schutz der Vertraulichkeit der Meldungen.

Datenschutzrechtliche Vorgaben: Analysemöglichkeiten des Systems, Rollen und Zugriffsberechtigungen nach dem Need-to-know-Prinzip, Einhaltung der Datenschutzgrundsätze, Verschlüsselung, Löschfristen, Datenschutzerklärung. Die Betriebsvereinbarung kann ferner als Grundlage für die Erstellung der Datenschutzfolgeabschätzung (DSFA) dienen.

Rechte des Betriebsrats: Festlegung der Informations-, Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte des Betriebsrats.

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Fazit

Das Hinweisgeberschutzgesetz selbst macht keine Angaben zur Einbindung des Betriebsrats bei der Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen. Aus dem BetrVG ergeben sich aber Mitteilungspflichten bei der Einführung einer internen Meldestelle und eine nötige Beteiligung bei der Besetzung der Meldestelle mit Mitarbeitern aus den eigenen Reihen und deren Weiterbildung. Nicht eindeutig geklärt ist derzeit die Mitbestimmungspflicht des Betriebsrats bei der Einrichtung und Ausgestaltung der internen Meldestelle. Gleichwohl ist es sinnvoll, den Betriebsrat bei der Einführung eines Hinweisgeberschutzsystems hinzuzuziehen und vom Gesetz ermöglichte Handlungsspielräume in einer Betriebsvereinbarung zu regeln. Das kann die Akzeptanz des Systems in der Belegschaft fördern und dafür sorgen, dass interne Meldestellen den externen gegenüber bevorzugt werden. Ferner kann eine Betriebsvereinbarung in die gesetzlich geforderte Datenschutzfolgeabschätzung eingebunden werden.

Daniel Lüttgens

Daniel Lüttgens
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